3.000 km durch Neuseeland: Im Interview mit Ultraläuferin Urte Fiek

Innerhalb von vier Monaten komplett durch Neuseeland gelaufen, 274 km durch die Alpen oder 110 km am Stück auf Korfu – Ultraläuferin Urte Fiek hat in ihrem Sport schon einiges auf dem “Kerbholz”, woran Halbmarathon-Läufer wie ich noch nicht mal ihren wildesten Träumen dran denken. Im Interview hat mir Urte verraten, wie sie zum Ultralaufen gekommen ist, warum sie weiterhin für den Sport brennt und mir auch einen persönlichen Einblick in ihre spektakulärsten Rennen gegeben. Doch bei aller sportlichen Begeisterung genießt Urte auch ihr Leben abseits des Trails. 

Moin Urte, du bist Ultraläuferin: Was zeichnet deinen Sport aus? Ab welchen Distanzen geht das los?

Urte Fiek: Ultras fangen da an, wo der Marathon aufhört. Also alles über 42,195 km. Nach oben hin sind da keine Grenzen gesetzt. Es gibt da natürlich etwas prominentere Distanzen, wie z.B. 100 km oder 100 Meilen. Für viele Ultraläufer sind das Meilensteine, die sie irgendwann in ihrem Leben erreichen möchten. Der längste zertifizierte Ultralauf der Welt ist sogar knapp 5.000 km lang und findet jährlich in New York statt. Da werden immer und immer wieder 883 m um einen Häuserblock gelaufen und die Teilnehmer haben 51 Tage Zeit, die 5.000 km zu schaffen. Die meisten Ultraläufe finden allerdings nicht auf der Straße, sondern im Gelände statt. Neben Kilometern werden dabei dann auch ordentlich Höhenmeter gemacht. Das sind die Ultras, bei denen ich mich wohl fühle.

Wie hat dich das Lauffieber gepackt? Gib uns mal einen Einblick in deine Sportlerkarriere.

Fiek: Früher habe ich eher Mannschaftssport betrieben, habe sehr gerne Volleyball und Tennis gespielt. Laufen fand ich immer eher doof. 2010 bin ich für zwei Jahre zum Arbeiten nach Ägypten gegangen und konnte aufgrund der dortigen Begebenheiten weder Volleyball noch Tennis spielen. Zwar konnte ich viel tauchen gehen, aber ich merkte schnell, dass mir das Auspowern fehlt, das funktionierte unter Wasser nicht so gut. Darum fing ich an, morgens vor dem Sonnenaufgang  zu laufen (denn danach war es zu warm). Anfangs nur drei bis vier km, irgendwann dann zehn. Da war ich mächtig stolz.

2012 bin ich nach Deutschland zurückgekommen und traf mich ab und zu mit Freunden zum Laufen. Erst 2014 nahm ich mir vor, einen Halbmarathon zu laufen, dafür trainierte ich dann etwas mehr. Nach dem Wettkampf war ich angefixt. Der Marathon folgte 2015 und der erste Ultra 2016. Seitdem ist das Laufen nicht mehr aus meinem Leben wegzudenken. Es hilft mir einen Ausgleich zum Arbeitsalltag am Schreibtisch zu bekommen, meine Gedanken zu ordnen und überschüssige Energie loszuwerden. Und ich lerne durch das Laufen wunderschöne Ecken und Orte auf dieser Welt kennen.

Was waren bisher deine absoluten Highlights als Ultraläuferin?

Fiek: Jetzt könnte ich ein Buch schreiben! Es gab so viele tolle Erlebnisse bei verschiedensten Läufen, bei denen man immer wieder auf andere Weise seine Stärken, Schwächen und Grenzen kennenlernt. Mein emotionalster Laufmoment war aber wohl 2019 beim Corfu Mountain Ultra, ein 110 km-Rennen mit 5.000 Höhenmetern. Es war mein erster und bisher einziger Versuch, die 100 km-Marke am Stück zu knacken. Meine Eltern waren extra mit nach Korfu gereist, um mich bei dem Rennen zu unterstützen. Mit ca. 70 Teilnehmern, davon sechs Frauen, war das Starterfeld recht klein. Dementsprechend wenig Publikum gab es am Straßenrand, nicht wie man es von Marathonveranstaltungen in Städten wie Hamburg kennt.

Da tat es sehr gut, in regelmäßigen Abständen meine Eltern bei mir zu haben, die mit einem Mietauto den ganzen Tag und die ganze Nacht von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation fuhren, um mir zur Seite zu stehen.  Nach ca. 22 h Regen, Sturm, Kälte und totaler Erschöpfung kam ich am frühen Morgen im Ziel an. Als Empfangskomitee waren dort lediglich ein Offizieller der Rennleitung und meine Eltern. Aber das hat auch gereicht. In die stolzen und erleichterten Augen meiner Eltern zu schauen und gemeinsam Freudentränen zu weinen, war unbeschreiblich schön.

Ab durch die Heide: Ultra-Running in der Heimat © Bjørn Brzeske/Artlerauge
Ab durch die Heide: Ultra-Running in der Heimat © Bjørn Brzeske/Artlerauge

Ein absoluter Höhepunkt für dich als Sportlerin war sicher auch dein Lauf durch Neuseeland vor ein paar Jahren, wofür du dir vier Monate Zeit genommen hast. Könntest du darauf genauer eingehen? Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben? Hast du dich vor Ort auch mal treiben lassen oder alles ganz detailliert geplant?

Fiek: Vom November 2016 bis zum März 2017 war ich zu Fuß auf dem Te Araroa Trail unterwegs. Der Trail beginnt in Cape Reinga, ganz im Norden von Neuseelands Nordinsel, und endet 3.000 km später in Bluff, ganz im Süden der Südinsel. Ich hatte mir vorgenommen, am Tag ca. 25-30 km zu machen und auch mal Pausentage einzulegen. Das hat so ganz gut funktioniert. Anfangs ist man natürlich ein bisschen langsamer unterwegs, weil man sich erst an die Anstrengung und das Gepäck gewöhnen muss. Spätestens ab der zweiten Hälfte waren aber sogar Pausentage eigentlich nicht mehr nötig und an mehreren Tagen habe ich auch die 50 km-Marke überschritten.

Zeitlich war mein einziges Ziel (neben dem Rückflug, den ich natürlich bekommen musste) rechtzeitig in Wanaka zur Wanaka Challenge zu sein, eine Triathlon-Veranstaltung, die dort jährlich im Februar stattfindet. Die wollte ich mir gerne anschauen. Und auch sonst hat mir die Gegend um Wanaka und Queenstown landschaftlich extrem gut gefallen. Dort bin ich dann auch mal länger geblieben, habe Freunde besucht und das Leben abseits des Trails genossen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich nur noch wenige 100 km bis Bluff. Ich glaube da wurde ich dann absichtlich auch wieder ein bisschen langsamer. Ich wollte nicht, dass die Zeit auf dem Trail endet und habe dadurch meine Ankunft ein bisschen hinauszögern können.

In den vier Monaten auf dem Trail habe ich eine ziemliche Entwicklung durchgemacht. Man startet als „Stadtkind“, daran gewöhnt jegliches Bedürfnis innerhalb kürzester Zeit gestillt zu bekommen. Doch dann muss man sich in der Natur zurechtfinden, wo es tagelang weder Einkaufsläden noch Handyempfang oder Zivilisation gibt. Anfangs war das schwierig. Auch mit so wenig materiellem Gepäck auszukommen war schwierig. Aber man lernt sehr schnell sich anzupassen, auf Konsumgüter zu verzichten, die Natur zu lesen und sein Gepäck sogar noch weiter zu reduzieren. Irgendwann waren es eher die Städte, die mir mehr Angst gemacht haben als die Wildnis.

Laufen ist nicht mehr aus meinem Leben wegzudenken. Es hilft mir, einen Ausgleich zum Arbeitsalltag am Schreibtisch zu bekommen, meine Gedanken zu ordnen und überschüssige Energie loszuwerden. Und ich lerne durch das Laufen wunderschöne Ecken und Orte auf dieser Welt kennen.

Hast du den Trip mit eigenen Ersparnissen bestritten oder zwischendurch auch mal gearbeitet als Finanzspritze? Wie bist du dein Laufabenteuer am anderen Ende der Welt mit Blick auf Budgetbedarf angegangen?

Fiek: Ich hatte zu der Zeit genug Geld gespart, um mir eine Auszeit zu gönnen. Zudem hatte ich Glück, dass einige Outdoormarken mich bei meinem Vorhaben unterstützt haben. So wurde mir ein großer Teil meines Equipments kostenlos zur Verfügung gestellt, was eine große Hilfe war. Neuseeland ist zwar definitiv nicht das günstigste Land dieser Welt, aber viel Ausgaben hatte ich nicht.

Im Gegensatz zu Deutschland ist in Neuseeland das Wildcamping auf vielen Flächen erlaubt. Außerdem gibt es ein hervorragendes Hüttensystem auf der Nord- und Südinsel. Für umgerechnet 90 Euro kann man für sechs Monate in fast jeder Hütte Neuseelands übernachten. Das sind dann zwar oft nur aneinandergereihte Wellblechplatten und Mäuse sind keine seltenen Gäste, aber es ist ein Dach überm Kopf. Und das hat gereicht. Für Essen habe ich dann schon mehr Geld ausgegeben, denn essen konnte ich wie ein Scheunendrescher. Sobald ich in eine Stadt kam, gab es gerne mal erst Eis, dann Chips, dann Pizza und dann Burger mit Pommes. Entsprechend hoch war aber natürlich auch mein Kalorienverbrauch, da ich jeden Tag auf den Beinen war.

Wenn ich über 20 km laufe, dann habe ich immer meinen Trinkrucksack von Camelbak dabei mit 1,5 l Wasser gefüllt. Ich finde das macht sich vom Gewicht her durchaus bemerkbar. Was hast du auf Neuseeland als Equipment mit dir rumgeschleppt? Was war dein Setup? Ein Trinkrucksack, ein leichtes Zelt?

Fiek: Ich hatte im Prinzip alles mit, was man zum Leben braucht: Haus, Schlafzimmer, Küche, Bad, Vorratskammer, Kleiderschrank. Nur eben in minimalistischer Form und in den ultraleichten Varianten. Mein Rucksack hatte 40 l Volumen, genug Platz für ein Zelt, Luftmatratze, Schlafsack, Kocher, Wechselkleidung, Waschutensilien, Trinkblase und Essensvorräte für bis zu zehn Tage. Meistens kam ich etwa alle drei bis fünf Tage an einem Supermarkt vorbei und konnte meine Vorräte dann wieder auffüllen.

Auf der Südinsel war der Trail dann aber deutlich weniger mit Infrastruktur ausgestattet, da musste dann auch mal für mehr Tage geplant und eingekauft werden. Pro Tag hatte ich etwa 500-1.000 g Essen dabei, das macht sich bei 10-Tages-Vorräten dann doch schon deutlich im Gewicht bemerkbar. Wasser konnte ich zum Glück in den vielen Flüssen des Landes auffüllen. In der Regel hatte ich damit etwa so zehn bis zwölf kg Gepäck auf dem Rücken. Anfangs musste ich mich dran gewöhnen, aber das ging recht fix. Auch heute stört mich bei längeren Wanderungen wie bei Hüttentouren das zusätzliche Gewicht auf dem Rücken nicht.

Locker Abhängen nach 3.000 km durch Neuseeland
Locker Abhängen nach 3.000 km durch Neuseeland

Bereitest du dich auf einen extrem anspruchsvollen Wettbewerb wie den Transalpine Run unterschiedlich vor als auf Ultraläufe, die beispielsweise “nur” über 70 km gehen? Radsportler und Endurance Racer Martin Moschek hat mir vor ein paar Monaten erzählt, dass bei Radrennen wie dem Atlas Mountain Race, an dem er dieses Jahr über 1.145 km und 20.000 Höhenmeter durch die Berge Marokkos teilgenommen hat, vor allem der Kopf darüber entscheidet wer ankommt. Würdest du dem auch mit Blick auf deinen Sport zustimmen? Wie bekommt man eine solche mentale Härte? Kann man sich das antrainieren?

Fiek: Da stimme ich Martin zu 100 Prozent zu. Natürlich muss der Körper ein gewisses Fitnesslevel haben, um Wettkämpfe von diesem Ausmaß zu bestreiten. Aber am Ende ist es doch immer der Kopf, der einen über die Ziellinie bringt. Das ist aber nicht nur bei Ultras so, sondern kann auch bei einem 10 km-Lauf der Fall sein. Ich denke, um seinem Kopf zu trainieren, muss man sich öfters bewusst in Situationen begeben, die die eigenen Grenzen austesten. Das können verschiedenste Sachen sein: Eine Solo-Reise in ein unbekanntes Land, ein Jobwechsel in ein anderes Fachgebiet oder eben der Versuch Distanzen zu laufen, die man vorher noch nicht gelaufen ist. Alles kann einen im erstem Moment Angst machen. Aber wenn man es nicht austestet, weiß man auch nicht, ob man es schafft.

Vor dem Transalpine Run 2016 bin ich noch nie einen Berg hochgelaufen. Berge kannte ich schneebedeckt vom Snowboardfahren im Winter, sonst nicht. Und an der Startlinie wurde ich von den erfahrenden Bergläufern erst sehr dafür belächelt, dass ich wie sie nun vorhatte, innerhalb von sieben Tagen 264 km und 16.000 Höhenmeter zu schaffen und dabei einmal komplett durch die Alpen zu laufen. Jeden Tag habe ich auf der Strecke vor Erschöpfung geweint, bin mit schmerzenden Beinen ins Bett gegangen und mit Todesmuskelkater aufgewacht. Und jeden Tag habe ich mir gesagt: „Es ist so unglaublich schön hier, jetzt nur noch bis zur nächsten Verpflegungsstation und dann schauen wir weiter.“ Irgendwann war die nächste Verpflegungsstation dann die Ziellinie. Man muss Dinge einfach ausprobieren, auch wenn sie einem viel zu groß scheinen.

Richtige Ernährung als Energieboost bei Ultraläufen: Was nimmst du während eines Laufs zu dir? Wie viel trinkst du?

Fiek: Bei Trail-Wettkämpfen sind die Verpflegungsstationen immer absolute Highlights: Käse, Salami, Obst, Nüsse, Kuchen, Suppe, alles was das Herz begehrt. NicNacs gehen bei mir immer super, wenn ich mehrere Stunden unterwegs bin. Oder Quetschies. Da ist mein Magen zum Glück wenig anfällig für Probleme. Wenn der Körper während eines Wettkampfes merkt, dass er Energie braucht, ist es meistens schon zu spät. Daher versuche ich in regelmäßigen Abständen etwas zu essen, auch wenn mir nicht danach ist. Trinken ist natürlich genauso wichtig. Bei Wettkämpfen mische ich mir immer noch „Tailwind“ mit ins Wasser, um zusätzliche Kalorien aufzunehmen. Ansonsten sehe ich zu, dass ich vor jeder neuen Verpflegungsstation meinen Wasservorrat (ca. 1 l) aufgebraucht habe und dann wieder nachfülle. Bei einem 50 km-Lauf komme ich so problemlos auf 5 l.

Jeden Tag habe ich auf der Strecke vor Erschöpfung geweint, bin mit schmerzenden Beinen ins Bett gegangen und mit Todesmuskelkater aufgewacht. Und jeden Tag habe ich mir gesagt: „Es ist so unglaublich schön hier, jetzt nur noch bis zur nächsten Verpflegungsstation und dann schauen wir weiter.“ (Urte über den Transalpine Run 2016)

Mit welchen Devices à la Garmin, Polar & Co. gehst du auf die Piste oder tut es auch dein Smartphone?

Fiek: Ein großer Fan von Gadgets oder Trackingplattformen bin ich nicht. Ich habe meine Garmin-Uhr, um beim Laufen Distanz und Tempo zu verfolgen. Die Daten habe ich dann in meinem Garmin-Profil, allerdings nur für mich sichtbar. Plattformen wie Strava, Runtastic & Co. nutze ich nicht. Ich mag es, wenn meine Laufeinheiten privat bleiben und möchte laufen des Laufens Willen und nicht um „Kudos“ zu bekommen.  Als zusätzliche Navigations-App nutze ich ansonsten noch gerne Komoot. Damit kann ich Laufstrecken bauen, was vor allem hilfreich ist, wenn ich die Gegend nicht kenne. Besonders bei Touren in den Bergen nutze ich diese App, um von A nach B zu kommen.

Du bist wie alle Leute aus der Digitalbranche, die ich bisher interviewt habe, beruflich gut eingespannt: Wie integrierst du den Sport in deine Woche? Wie oft und wie viel gehst du wöchentlich laufen?

Fiek: Das schöne am Laufsport ist ja, dass man außer Schuhen und Kleidung nichts braucht und man immer und überall eine Strecke zum Laufen findet. Ich mag es morgens zu laufen und ich mag es abends zu laufen. Seitdem Corona uns alle ins Homeoffice geschickt hat, gibt’s zusätzlich auch noch die Mittagspause, also drei Gelegenheiten am Tag die Laufschuhe zu schnüren. Und Hamburg bietet uns mit Alster, Elbe, Niendorfer Gehege oder Harburger Berge viele schöne Strecken. Unter der Woche mache ich eher kürzere Distanzen zwischen 7-15 km pro Einheit. Manchmal laufe ich nur an einen Tag, manchmal an sieben.

Längere Distanzen nehme ich mir dann eher am Wochenende vor. Da darf es dann gerne auch mal außerhalb Hamburgs hingehen, z.B. mag ich unglaublich gerne auf Sylt laufen. Samstag früh mit dem Zug hin, dann einmal über die Insel laufen, Fischbrötchen bei Gosch essen und abends mit dem Zug zurück. Das sind immer tolle Ausflüge. Wann immer es im Sommer geht, nehme ich mir ein paar Tage frei und fahre in die Alpen, um neben Kilometern auch Höhenmeter in die Beine zu bekommen. Da ist es sehr hilfreich, dass die meisten meiner Kunden in München sitzen. So werden Dienstreisen meist auf Donnerstag/Freitag gelegt und dann ein Wochenende in den Bergen hinten angehängt.

An der Stelle frage ich die Leute immer, wie sie ihr persönliches Fitnessniveau einschätzen und wo es noch Luft nach oben gibt. Wenn man auf einem Level angelangt ist wie deinem, wie kann man sich da noch optimieren? An welchen Stellschrauben noch drehen? Welche sportlichen Ziele verfolgst du überhaupt noch?

Fiek: Auf jeden Fall ist da noch sehr viel Optimierungspotenzial! Ich kann zwar lange Strecken laufen, aber ich bin dabei nicht besonders schnell. Oft scheint mir mit jedem Ultra schwindet ein wenig die Chance auf eine neue (Halb-)Marathonbestzeit. Aber das finde ich auch gar nicht schlimm. Denn so richtig Spaß am schnellen Laufen habe ich nicht. Natürlich ist man stolz, wenn man mit neuer Bestzeit über die Ziellinie läuft, aber ist es nicht viel schöner den Lauf genossen zu haben, als die ganze Zeit auf Anschlag zu sein?

Auch Stabilitäts- oder Mobilitätsübungen mache ich sicher viel zu wenig. Da wäre auch noch eine Menge Optimierung möglich. Aber am Ende des Tages bin ich auch nur Hobbyläufer und zufrieden mit meinem Leistungsniveau. Mein Ziel ist es, einfach weiterhin Spaß an dem Sport zu haben.

Ein Grund zum Anstoßen: Nach dem Finish des Transalpine Run 2020 über 274 km
Ein Grund zum Anstoßen: Nach dem Finish des Transalpine Run 2019 über 274 km

Bisher laufe ich nur Halbmarathon. Ich merke aber, dass mich schon eine Weile der Gedanke umtreibt, einen Marathon zu laufen. Bisher hat es mit dem Training nicht geklappt, das wurde zeitlich einfach zu viel. Wie schaffe ich den Übergang von einem Halben hin zu einem Ganzen? Hast du paar Tipps für mich parat?

Fiek: Der Schritt vom Halbmarathon zum ganzen Marathon ist ehrlich gesagt kleiner, als man es sich anfangs ausmalt. Marathon ist so ein mächtiges Wort, aber letztendlich ist es auch nichts anderes, als für ein paar Stunden einen Fuß vor den nächsten zu setzen. Und Laufen haben wir schließlich schon als Kind gelernt. Wenn du Marathon laufen willst, dann mach es. Vielleicht nicht gleich morgen. Ich habe mir damals vor meinem ersten Marathon gesagt, ich möchte vorher mindestens sieben Mal mehr als 30 km gelaufen sein. Dazu habe ich mir immer ein Wochenendtag genommen und dann für diesen Tag auch keine anderen Termine eingetragen, sodass ich es mir nach der Trainingseinheit mit guten Gewissen und ein wenig schmerzenden Beinen auf der Couch bequem machen konnte. Oft habe ich den langen Lauf dann entweder komplett oder in Teilabschnitten mit Freunden zusammen gemacht. Es hilft wenn man sich gegenseitig aufmuntern kann, falls einer mal ein Tief hat.

Beim Wettkampf selber finde ich es hilfreich nicht die Ziellinie im Kopf zu haben, sondern in kleineren Schritten zu denken. Zum Beispiel als Ziel die nächste Verpflegungsstation zu nehmen und sich dann in kleineren Etappenzielen zum eigentlichen Finish vorzuarbeiten. So hat man immer wieder kleine Zwischenerfolge, die zusätzlich motivieren. Der wichtigste Part bei langen Läufen ist aber, wie vorhin bereits erwähnt, der Kopf. Ich denke rein physisch sind die meisten Menschen in der Lage, die Marathondistanz zu schaffen. Ob das dann immer gesund ist, lassen wir jetzt mal außen vor. Aber der Kopf ist entscheidend dafür, ob jemand genug Willensstärke hat auch dann nicht aufzuhören, wenn es schwierig wird. Man muss sich im Vorhinein bewusst machen, dass man sich in eine Situation begibt, die höchstwahrscheinlich weh tun wird. Und man muss bereit sein, dies in Kauf zu nehmen und weiter zu kämpfen. Aber das Schöne dabei ist: Seinen Kopf trainiert man dabei nicht nur für Laufwettkämpfe, sondern für viele Lebenssituationen, in denen es mal nicht einfach ist.

Abgesehen vom Laufen: Wie genießt du sonst so deine Freizeit? Wie steht es mit lecker essen gehen und einem Glas Rotwein oder ordnest du deine Lebens- und Essgewohnheiten deinem Sport unter?

Fiek: Das ist wohl eher umgekehrt: Ich ordne den Sport meinen Lebensgewohnheiten unter. Ich genieße es sehr, abends mit Freunden essen zu gehen und auch mal ein Glas Wein zu viel dabei zu trinken. Zugegeben, wenn ein für mich wirklich wichtiger Wettkampf ansteht, dann nehme ich mich ein wenig zurück. Aber ich möchte nicht, dass der Laufsport mein Leben bestimmt. Deswegen bin ich auch nicht gut darin, Trainingspläne einzuhalten. Habe ich mal versucht, hat nicht geklappt. Wenn ich mal keine Lust habe zu laufen, dann mach ich das auch nicht.

Der Feierabend-Lauf an der Elbe ruft © Raimar von Wienskowski
Der Feierabend-Lauf an der Elbe ruft © Raimar von Wienskowski

Welches sind deine drei Hamburger Lieblingsrestaurants und warum?

Fiek: Als erstes ganz klar das Transmontana auf dem Schulterblatt. Seit vielen Jahren wohne ich auf der Schanze und das Transmontana hat sich inzwischen fast zur täglichen Anlaufstelle entwickelt. Es ist ein portugiesischer Laden, der seit über 30 Jahren besteht und Gebäck, Sandwiches und andere kleinere Gerichte anbietet. Er zieht vor allem das Frühstücks- und Kaffee-Publikum an, man kann dort aber auch gut am späteren Nachmittag einen Wein trinken. Ich mag den Laden sehr, weil er ehrlich ist und die getoasteten Brötchen die allerbesten sind.

Abends gehe ich dann gerne mal ins Bairro Alto, ebenfalls auf dem Schulterblatt gelegen und ebenfalls ein Portugiese. Dieser ist aber eher auf die Abendkarte spezialisiert. Ich esse dort gerne Tapas und die Caipis ziehen einem die Schuhe aus! Außerdem mag ich, dass er sich auf der etwas entspannteren Seite des Schulterblatts befindet, wo sich abends nicht ganz so viele Menschen tummeln. Und als drittes Restaurant empfehle ich die Pizzamacherei in der Eimsbütteler Chaussee: Tolle Pizzen, entspanntes Ambiente und sehr nettes Personal.

Danke dir für das interessante Gespräch!