Sebastian Geid

Comeback nach Außenmeniskusriss: Physiotherapeut Sebastian Geid gibt Tipps

Seit mehreren Wochen kann ich leider meinem Lieblingshobby Joggen nicht mehr nachgehen. Im Crossfit-Training habe ich mir beim Kniebeugen den Außenmeniskus im linken Knie gerissen. Hat eine Weile gedauert bis nach der Verletzung die eindeutige Diagnose feststand, noch etwas länger bis die OP durchgeführt wurde. Bis ich wieder ins Joggen einsteigen kann, muss ich mich noch gedulden.

Im Interview hat mir Physiotherapeut und Ernährungsberater Sebastian Geid (SGphysio) aus meiner rheinland-pfälzischen Heimat Breitenbach – direkt an der Grenze zum Saarland gelegen – meine Fragen zum Thema Außenmeniskusriss, zielgenaue Reha und den langwierigen Weg zurück ins intensive Lauftraining beantwortet. 

Moin Sebastian, in den Worten eines Physiotherapeuten: Welche Funktion hat der Außenmeniskus? Wofür braucht man den überhaupt gerade mit Blick auf Sport?

Sebastian Geid: Der Außenmeniskus bzw. beide Menisken bestehen aus Fasern, die Druck- und Zugbelastung standhalten müssen. Sie liegen im inneren und äußeren Bereich des Kniegelenks. Das bedeutet, dass die Menisken die Funktion haben, Druckbelastungen wie z.B. beim Joggen, Sprinten, Springen aufzunehmen und diesen Druck gleichmäßig auf die Gelenkflächen zu verteilen. Zudem gilt es rotatorische Kräfte, die auf das Kniegelenk wirken, zu verarbeiten. Dies passiert vor allem bei Sportarten mit Richtungswechseln.

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Der Meniskus ist durch: Wie kommt eine solche Verletzung zustande? Kann das bei jeder Sportart passieren oder gibt es Sportarten, bei denen man sich einfach eher eine Verletzung zuzieht? Du selbst spielst schon seit deiner Kindheit Fußball.

Geid: Die Verletzungsmechanismen können sehr unterschiedlich sein. In deinem Fall ist es beim Kniebeugen passiert. Dort sehr wahrscheinlich in der maximalen Beugestellung des Kniegelenkes. Grundsätzlich kann es bei jeder Sportart mit körperlicher Aktivität zu einem Meniskusriss kommen, jedoch sind die Spiel- und Kontaktsportarten tendenziell öfter betroffen, da durch mehr harte Starts und Stopps sowie Richtungswechsel mehr Belastung auf das Kniegelenk wirkt. Und ja, bei meiner Lieblingssportart Fußball kommt es häufiger zu derartigen Knieverletzungen, von denen ich bisher verschont blieb. Klopfe auf Holz!

Sebastian beim Dribbling (Mitte): Zahllose "Blutgrätschen" konnten ihm bisher nichts anhaben
Sebastian beim Dribbling (in der Mitte): Zahllose “Blutgrätschen” konnten ihm bisher nichts anhaben

Kann man Sportverletzungen wie einem Meniskusriss vorbeugen? Wenn ja, wie?

Geid: Ich denke, dass man grundsätzlich schon einem Meniskusriss vorbeugen kann. Bei Sportarten mit Gegnerkontakt, kann es jedoch trotz optimaler Vorbereitung zu solch einer Verletzung kommen. Wie beugt man am besten einem Meniskusriss vor? Wichtig ist in erster Linie, dass man sich mit seiner Sportart auseinandergesetzt hat und ihre Anforderungen kennt, bevor man mit ihr startet.

Je nach Sportart wird ein Training absolviert, welches die motorischen Grundeigenschaften Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Koordination und Mobilität beinhaltet. Das gezielte und ausgewogene Training dieser fünf Komponenten kann vor Verletzungen schützen. Aber die ultimativen Sicherheit vor Verletzungen gibt es trotz aller Präventivmaßnahmen wie gesagt nicht. Zusätzlich sollte man immer auch auf die Regeneration achten. Hierzu zählen die Pausenzeiten zwischen den Trainingseinheiten und natürlich der Lifestyle, sprich die Ernährung, Stress und Schlaf.

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Direkt nach der Verletzung: Was kann man unmittelbar tun? Eisbeutel drauf und Bein hoch und auf das Beste hoffen?

Geid: Das ist so eine Sache, da scheiden sich die Geister. In meiner langjährigen Tätigkeit als Sportphysiotherapeut direkt am Platz habe ich die Erfahrung gemacht, dass eine direkte Kompression mit moderater Kühlung gut helfen. Meines Erachtens hilft die Kompression, dem Verletzten ein Gefühl der Stabilität zu geben. Das Kühlen wirkt eher so, dass der Schmerzreiz gedämpft wird durch den Kältereiz. Damit meine ich, dass die Schmerzwahrnehmung verringert werden kann. Sportpause versteht sich von allein und der Weg zum Facharzt sollte auch schnellstmöglich stattfinden.

Nach der OP: Ich habe jetzt erst mal zwölf Sessions Physiotherapie vom Arzt zur Reha verschrieben bekommen. Alle ein bis zwei Wochen habe ich Termine. Paar Übungen hat mir der Therapeut als Hausaufgabe mitgegeben. Ist das nicht viel zu wenig? Wie viel Physiotherapie macht deiner Meinung nach mindestens Sinn?

Geid: In deinem Fall könnte die Anzahl von zwölf Sessions ausreichen, jedoch sollte man das immer individuell entscheiden. Alle zwei Wochen finde ich persönlich auch etwas wenig, ein bis zwei mal in der Woche sollte es Therapie geben. Wenn die Behandlung so ausgelegt ist, dass der Patient je nach Stadium der Reha mit genügend Anleitung an aktiven Übungen ausgestattet ist und diese auch im Privaten durchführt, können zwölf Sessions reichen.

Ist das mit der Terminlage in deiner Praxis im Saarland wie hier in Hamburg? Wenn ich bei zehn Praxen anrufe, sagen mir acht ich bekomme erst in vier Monaten einen Termin. Warum ist das so? Gibt es nicht genug Praxen oder ist die Nachfrage heute einfach sehr hoch, weil viele Leute sich kaum noch bewegen und den ganzen Tag bei der Arbeit am Computer sitzen.

Geid: Die Terminlage ist noch nicht ganz so gravierend, jedoch wartet man hier gut und gerne mal drei bis sechs Wochen auf den ersten Termin. Meines Erachtens liegt es daran, dass der Beruf eines Physiotherapeuten in den letzten 20-30 Jahren an Attraktivität für junge Menschen verloren hat. Die Ausbildungszahlen gingen Jahr für Jahr zurück, wodurch sich ein Fachkräftemangel entwickelt hat. Grund waren die meist sehr hohen Ausbildungskosten und das im Vergleich zu anderen Branchen geringe Gehalt. Daran wurde in den letzten drei Jahren schon gearbeitet, sodass mittlerweile Ausbildungsvergütung gezahlt wird und die Löhne und Gehälter durch die Anhebung des Rezeptwertes gestiegen sind.

Meines Erachtens immer noch zu gering für das was man leistet, jedoch begleitet uns dieses Thema in fast allen Bereichen der Gesundheitsbranche und darüber hinaus. Die geringere Bewegung und der mangelhafte Ernährungszustand in unserer Gesellschaft leisten natürlich ihren Beitrag zu den vollen Physiotherapiepraxen. Zusätzlich der gesellschaftliche Druck mit immer mehr Stress und höher, schneller, weiter.

Wie kann man seine Muskulatur nach einer Verletzung wieder gezielt aufbauen? Ich habe mich nach 15 Jahren wieder im Fitnessstudio angemeldet, weil mir die Frequenz der Krankengymnastik zu gering war und ich – abgesehen von Übungen zuhause – noch mehr machen wollte. Welche Übungen im Fitnessstudio sollten deiner Meinung nach auf keinen Fall fehlen bei der Reha nach einer Meniskus-OP?

Geid: Es freut mich, dass du mehr machen willst als vom Arzt verordnet. Da hast du den meisten Leuten schon was voraus und Fitnessstudio ist meines Erachtens top, da kannst in der Regel alles trainieren. Zu Beginn würde ich Übungen in einer für dich einfachen Ausgangsstellung auswählen und angepasst an dein Stadium der Reha. Hierzu sollte man die Wundheilungsphasen beachten.

Ausfallschritte: Dürfen in keinem Reha-Workout nach einem Meniskusriss fehlen
Ausfallschritte: Dürfen in keinem Reha-Workout nach einem Meniskusriss fehlen

Das Training kann so gestaltet werden, dass du im Kraftausdauerbereich startest, in das Training für Muskelmassezuwachs übergehst und du mit Maximalkrafttraining und Sprüngen abschließt. Immer angepasst an dein Stadium der Reha und unter Einhaltung der Regenerationszeiten. Grundsätzlich kannst du für deine Art der Verletzung alle Beinübungen und Rumpfkrafttraining in die Reha mit einfließen lassen. Was nicht fehlen darf sind Squats und da darfst du dich ruhig Stück für Stück nochmal an den Deepsquat herantrauen, sowie Deadlifts, alle Variationen an Ausfallschritten und Sprungübungen. Und natürlich das Joggen nicht vergessen, darum geht es ja bei dir. 

Wie führt man sich abgesehen von Reha wieder gezielt an intensiven Sport ran?

Geid: In meinen Augen sollte die Reha so individuell ausgelegt sein, dass wenn der Patient wieder Leistungssport machen möchte, dies in der Reha abgedeckt wird. Sollte die Reha nicht ausreichen, ist es hilfreich sich regelmäßig eine Stunde bei einem gut ausgebildeten Personal Trainer zu buchen, der sich spezialisiert hat – in deinem Fall bestmöglich auf das Joggen.

Wann sollte man deiner Empfehlung nach wieder mit Laufen anfangen nach einer Meniskus-OP? Mit welcher Intensität kann man loslegen?

Geid: Hier müssen wir unterscheiden, um welche Art von OP es sich gehandelt hat. War es eine Teilentfernung, Meniskusglättung oder eine Meniskusnaht? Bei einer Meniskusnaht kann es durchaus sein, dass der Arzt vier bis sechs Wochen Teilbelastung anordnet und dann verschiebt sich der Rehaverlauf auch dementsprechend vier bis sechs Wochen oder etwas länger nach hinten. Sprich je nach Rehaverlauf kann es bis zu zwölf Wochen dauern bis mit dem Lauftraining begonnen werden kann. Hier muss aber auch immer individuell entschieden werden. Wenn der Patient eine gute Beinmuskulatur hat, die OP kurze Zeit nach der Verletzung stattfindet und es sich um eine Glättung oder Teilentfernung handelt, kann nach spätestens vier bis sechs Wochen mit dem Lauftraining begonnen werden.

Die Intensität wähle ich meist bei meinen Patienten so, dass sie eine Minute schnell gehen und eine Minute locker joggen – je 10-15 mal. Gerne auch erstmal auf dem Laufband, so kann man als Therapeut eventuelle Schonhaltungen gut erkennen. Sollte diese Intensität ohne Beschwerden gemacht werden können, kann man weiter steigern auf z. B. zwei Minuten joggen und eine Minute gehen. Die Intervalle sollten so gesteigert werden, dass man nach ca. drei bis vier Wochen ohne Probleme 30-40 Minuten joggen kann im Bereich Regenerationslauf oder Grundlagenausdauer 1. Danach steht dem Training für den nächsten Halbmarathon und mehr nichts mehr im Wege.

Danke dir für das interessante Gespräch!

PS: Vor knapp drei Jahren hat mir ein ausgefeilter Ernährungsplan Sebastians sehr dabei geholfen, knapp 20 kg abzunehmen. Mehr Infos dazu gibt es unter Über Mich